Gold Analyse: „Higher for Longer” – Märkte realisieren Zins-Problem

Februar 21, 2023 16:26
  • Aktuelle Gold Analyse 21.02.2023: Chartanalyse, Wochenausblick, Setups und mehr – für aktive Daytrader: ✅ Gold News ✅ Gold Aktuell ✅ Gold Prognose

Überblick: Gold, das große Bild

Im feiertagsbedingt (USA: Presidents Day) eher umsatzarmen Montagshandel gelang es Gold immerhin, sich auf dem Niveau des Vorwochenschlusses zu halten, signifikante Zugewinne waren jedoch selbstverständlich auch nicht drin. Schon nach der Veröffentlichung der US-Verbraucherpreise am vergangenen Dienstag setzte sich die kurz zuvor begonnene Korrekturbewegung weiter fort. Der US-Verbraucherpreisindex erhöhte sich gegenüber Dezember erwartungsgemäß um 0,5 Prozent und damit so stark wie seit drei Monaten nicht mehr. Die Kernrate, ohne Lebensmittel und Energie, stabilisierte den zweiten Monat in Folge bei 0,4 Prozent, was jedoch über den vorangegangenen Monaten lag. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Daten meldeten sich bereits mehrere Fed-Vertreter mit der Ansicht zu Wort, dass die Zinssätze noch deutlich höher als bisher angenommen steigen müssten, nachdem schon in den letzten Wochen die Diskussion über einen Leitzins von sechs Prozent zugenommen hatte.

Angesichts der überraschenden Entwicklung der US-Wirtschaft dürfte ein solches Szenario durchaus realistisch sein, denn das große Thema des Jahres 2022 waren ja nicht nur die raschen Zinserhöhungen sondern vor allem, wie gut die Wirtschaft diese weggesteckt hat. Unabhängig vom Standpunkt zur Inflation selbst gingen ja fast alle davon aus, dass es zu einer ernsthaften Schwäche auf dem Arbeitsmarkt kommen würde, wenn man die Zinsen innerhalb eines Jahres von ungefähr Null auf fünf Prozent anhebt. Die einzige Debatte war, ob diese Schwäche auf dem Arbeitsmarkt ein lohnender Preis für die Überwindung der Inflation wäre. Aber die Schwäche des Arbeitsmarktes ist, zumindest bis jetzt, nicht eingetreten, und das ist auch der Grund, warum gerade so viel über noch höhere Zinsen gesprochen wird. Die Fed-Vorsitzenden Loretta Mester und ihr Kollege James Bullard haben bereits signalisiert, dass sie eine Rückkehr zu Zinserhöhungen um 50 Basispunkte in der Zukunft bevorzugen würden. Die Ökonomen der Deutschen Bank erwarten nun einen Höchststand von 5,6 Prozent, was über den zuvor prognostizierten 5,1 Prozent und der aktuellen Spanne von 4,5  bis 4,75 Prozent liegt. Anderen Modellen zu Folge liegt die Fed sogar noch viel weiter hinter der Kurve zurück. Die sogenannte Taylor-Regel, die normalerweise von der US-Notenbank zur Bewertung des geldpolitischen Kurses verwendet wird, deutet auf einen Zinssatz von sage und schreibe neun Prozent hin. Erste offizielle Prognosen in dieser Richtung gibt es bereits, das Research-Hause Macro Hive wagte sich vor wenigen Tagen mit immerhin acht Prozent aus der Deckung. Sollte dies tatsächlich nötig sein, um das Inflationsziel von zwei Prozent überhaupt erreichen zu können, wäre es vermutlich besser, sich mit einer etwas höheren Teuerungsrate abzufinden, will man die Wirtschaft nicht doch noch zerstören. Seitens der Anleger wird möglicherweise unterschätzt, wie hoch die Zinsen steigen könnten. Gleichzeitig scheint der Markt zu optimistisch, was die Wirtschaft angeht, auch wenn diese in einer besseren Verfassung ist als während der letzten Finanzkrise. Die Rezessionswahrscheinlichkeit sehen die Anleger laut einer neuen, umfassenden Marktumfrage, nur noch bei 24 Prozent, das ist der niedrigste Stand seit Juni.

Weitere Daten zu diesem Thema stehen schon in der laufenden Woche an: mit den von der US-Notenbank bevorzugten Inflationsindikatoren PCE-Deflator und dem entsprechenden Kerndeflator (Freitag 14:30 Uhr) dürfte die Debatte unter den Zentralbankern über die Notwendigkeit einer Tempoanpassung weiter angeheizt werden. Ersterer wird den Prognosen zufolge im Januar um 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat zulegen, was den größten Anstieg seit Mitte 2022 darstellt. Im Median wird ein Anstieg von 0,4 Prozent für die Kernrate erwartet. In dieser sind Lebensmittel und Kraftstoffe nicht enthalten, was die zugrunde liegende Inflation, beziehungsweise den Einfluss geldpolitischer Maßnahmen darauf, besser widerspiegelt. Außerdem veröffentlichen die Fed-Vertreter das Protokoll ihrer letzten Sitzung (Mittwoch, 20:00 Uhr).

Der Minicrash bei Gold hat den ein oder anderen Marktteilnehmer durchaus verunsichert. Nicht nur  auf Grund des Zentralbank-Kontextes, sondern auch, da Russland - im vergangenen Jahr mit 55 Tonnen noch großer Käufer - wohl gerade drei Tonnen davon wieder abgestoßen hat. Dabei geht es nicht so sehr um die jetzt veräußerte konkrete Menge, drei Tonnen sind nicht viel, sondern um die Befürchtung, Russland könnte nun auf Grund seines teuren Krieges damit beginnen, die eigenen Goldbestände zum Stopfen der größer werdenden Haushaltslöcher zu nutzen. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass solche Aktivitäten, selbst wenn Russland Gold tatsächlich in größerem Stil abstoßen würde, zu nachhaltigen Verwerfungen führten. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass der jüngste, weltweit beobachtbare staatliche Goldhunger bereits gestillt ist. Allein China kaufte jüngst erst 30 Tonnen des gelben Metalls. Nicht auszuschließen, dass gerade Peking bereitwillig russisches Gold übernehmen würde, bilateral an den Börsen vorbei.

Auch wenn die Bewegung seit Anfang Februar nur eine Richtung zu kennen schien und in der Spitze immerhin 140 Dollar nach unten lief, unter dem Strich zeigt sich hier - bis jetzt - lediglich eine mäßig weite Korrektur der im November begonnen Rally. Das Tief vom Freitag endete knapp unterhalb des zugehörigen 38,2-Prozent-Retracements, im Bereich des um 1.830 befindlichen Unterstützungsniveaus. Der größte fundamentale Faktor lässt sich abermals unter „never fight the fed“ subsummieren, und angesichts der mittlerweile im Raum stehenden Endziele des laufenden Zinserhöhungszyklus bleibt die Lage fragil. Die Erfahrungen der letzten Zeit zeigen aber auch, wie schnell jeder neue Datenpunkt für eine Änderung des Sentiments sorgen kann, die Erwartung weiterhin hoher Volatilität ist sicher nicht unbegründet.

Gold - Betrachtung im 4h Chart und Setups für die kommenden Tage

Der stark dollargetriebene Edelmetallsektor leidet enorm unter der neu gewonnenen Stärke des Greenback. Dessen am vergangenen Freitag markiertes Sechswochenhoch korrespondierte dann auch mit dem Tief der aktuell bei Gold laufenden Korrekturbewegung. Dieses Tief könnte bereits dessen Ende bedeuten, die schnelle Umkehrbewegung dieses Tages müsste sich dafür jedoch zügig fortsetzen und Gold auf Tagesbasis nicht mehr allzuweit unter der 1.850er-Marke schliessen. Andernfalls droht ein Test dieses Tiefs, mit weiterem Rückschlagpotenzial. Aus fundamentaler Sicht bleibt das Umfeld ohnehin herausfordernd, da Gold auf Grund steigender Opportunitätskosten zunehmend unattraktiv wird. Technisch ergibt sich aus der laufenden Abwärtsbewegung kein Grund zur Panik, gute Niveaus für strategische Zukäufe finden sich bei $1.830, $1.800 und $1.750.

Long-Setup: Nach dem Absturz vom 02. und 03. Februar ist Gold einige Tage später in einen gut definierten Abwärtstrend übergegangen, innerhalb dessen über den Erfolg eines Bodenbildungsversuchs an der Unterstützung (und dem 38,2-Prozent-Retracement) bei 1.830 Dollar noch entschieden werden muss. Hält dieses Level, wird der Markt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Oberseite der neuen Konsolidierungszone bei $1.850 testen wollen, gelingt dessen Überwindung, womit auch der laufende Abwärtstrend verlassen wäre, steigen die Chancen auf eine Trendumkehr. Das folgende Ziel liegt dann bei $1.880. Das sinnvolle Stopp-Level für frische Longs an der genannten Unterstützung befindet sich kurz unter dem Freitagstief ($1.819). Fällt Gold darunter, wird ein vollständiges Durchlaufen des fallenden Trendkanals sehr wahrscheinlich, mit Ziel bei $1.800. Dort verläuft eine kräftige horizontale Unterstützung, die für entsprechendes Kaufinteresse sorgen sollte.

Short-Setup: Zwar bewegt sich Gold aktuell in einem klar umrissenenen kurzfristigen Abwärtstrend, für neue Shortpositionen sollte dennoch zunächst das Unterschreiten des am Freitag markierten Tiefs der laufenden Konsolidierungsbewegung abgewartet werden, um sich nicht von einem möglicherweise schnellen Richtungswechsel auf dem falschen Fuß erwischen zu lassen. Handelt Gold darunter, stehen die Chancen für einen weiteren zügigen Rutsch bis an die runde 1.800er-Marke heran gut. An dieser Stelle ist mit starker Nachfrage zu rechnen, steigt der Druck dort jedoch weiter an, erhöht sich das Short-Potenzial zunächst bis $1.785, dann $1.750. Falls Gold über den laufenden kurzfristigen Abwärtstrend ausbricht und auch den kurz darüber, bei $1.850, befindlichen Widerstand überwinden kann, stehen die Chancen für einen Trendwechsel gut, entsprechend vorsichtig gilt es mit Shorts zu agieren. Die nächste aussichtsreiche antizyklische Gelegenheit bietet sich dann bei $1.880. Misslingt ein solcheer Ausbruchsversuch jedoch und fällt Gold wieder unter $1.850 zurück, liegt der Ball wieder klar bei den Bären, mit hoher Wahrscheinlicheit eines abermaligen Tests des Vorwochentiefs.


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.