Gold Analyse: Die Zinsangst ist zurück – Powell und Monster-NFP belasten den Goldmarkt

Februar 07, 2023 13:02

Mit dem am Donnerstag erfolgten schnellen Richtungswechsel des bis dahin überkauften Goldmarktes kurz oberhalb der wichtigen Widerstandsmarke bei 1.950 Dollar roch es bereits sehr nach einem sich nun etablierenden temporärem Top. Mit den tags darauf folgenden US-Arbeitsmarktdaten konnte dann auch eine belastbare fundamentale Begründung für einen tieferen Abverkauf gefunden werden.

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Überblick: Gold, das große Bild

Nachdem Gold bis zur US-Zinssatzentscheidung am vergangenen Mittwoch weiter nach oben zog und auch die kurz darauf folgenden Ausführungen von Fed-Chef Jerome Powell positiv interpretierte, setzte sich bereits am Folgetag ein etwas nüchterner Blick auf die Dinge durch. Gold orientiere sich dann an den zunächst ignorierten konjunktursensiblen Rohstoffen, wie Rohöl und Kupfer, die sich schon am Vortag nicht recht vom positiven Tenor jener Worte überzeugt zeigten. Der aus dem Mittwochshandel technisch geschwächt hervorgegangenen Dollar wetzte zudem die Scharte dieses Tages aus und belastete zusätzlich. Mit den erheblich besser als erwarteten US-Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag schob der Greenback weiter nach oben, nun auch einvernehmlich mit den Anleiherenditen. Gold fiel im Zuge dessen auf ein Vierwochentief zurück. Die zum Start in die laufende Woche begonnene Stabilisierung steht noch auf wackeligen Beinen, insbesondere, da Dollar und Zinsen weiterhin Sand ins Getriebe streuen.

Nach der erwarteten Zinserhöhung um 25 Basispunkte am vergangenen Mittwoch äußerte sich Notenbankchef Jerome Powell in der darauf folgenden Pressekonferenz nicht dovish, sondern eher skeptisch in Bezug auf inflationsdämpfende Signale und zeigte sich durchaus gewillt, die Zinszügel weiterhin nicht locker zu lassen („higher for longer, the job’s not done“). Die Märkte, bis auf ein paar wenige, hörten ihm nur nicht zu. Oder anders: sie hörten nur dass, was sie hören wollten. Drei große Zentralbanken gaben vergangene Woche ihre Entscheidungen bekannt, wobei jede von ihnen einen Rückgang des Preiswachstums einräumte und gleichzeitig bekräftigte, dass es noch viel zu früh sei, um den Sieg im Kampf gegen die Inflation zu verkünden. Die Anleger konzentrierten sich im Großen und Ganzen nur auf den ersten Teil. Dabei handelt es sich gewissermaßen um ein „selektives Hören der Märkte“. Diese feiern die Disinflationsbekundungen der Fed, der EZB und der Bank of England und halten sich kollektiv die Ohren zu, wenn es um weitere Straffung geht, die nach eigener Aussage ja noch aussteht. Die Arbeit der politischen Entscheidungsträger wird dadurch nochmals erschwert, wenn man bedenkt, dass die "dovish bets" gewissermaßen bereits eine Form der finanziellen Lockerung sind, die ironischerweise noch aggressivere Maßnahmen erzwingen könnte, die dann den Markterwartungen zuwiderlaufen. Laut Powell erwarten die Entscheidungsträger noch "ein paar weitere“ Zinserhöhungen, bevor sie ihre aggressive Straffungskampagne auf Eis legen. Die Händler zeigten sich ausgesprochen erfreut über diese Äußerungen, schließlich wurde ja auch ein Nachlassen des Preisdrucks eingeräumt. Dieser Optimismus hielt jedoch nicht lange an, schon am Folgetag bewerteten die Marktteilnehmer die Aussichten eines „higher for longer“ neu und insbesondere die wichtigen US-Arbeitsmarktdaten stellten diesen Optimismus schon am Freitag erneut auf die Probe.

Dort überraschte der US-Arbeitsmarktbericht, der mit einem Plus von 517.000 neugeschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft deutlich über den Prognosen (+185K) und dem Vormonatswert (+223K) lag. Gleichzeitig sank die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit 1969 und ein Indikator für den Dienstleistungssektor (ISM Auftragseingänge) verzeichnete den höchsten Anstieg seit fast drei Jahren. Damit sieht es ziemlich klar danach aus, als würden die USA in den nächsten Monaten nicht in eine Rezession fallen, sondern die angestrebte „weiche Landung“ tatsächlich eintreten. Somit sind auch die Argumente für einen Schwenk der Fed sicherlich schwächer geworden, denn das Inflationsrisiko bleibt weiterhin sehr hoch. Das sich herauskristallisierende Szenario deutet darauf hin, dass die Wirtschaft nur einen leichten Abschwung erleiden könnte, und dieser nicht stark genug ausfallen dürfte, um den Preisdruck zu verringern. Die Aufwärtsrisiken für die Inflation kehren also nach anfänglichem Rückgang zurück. In einem auf die Daten vom Freitag folgenden Schreiben erklärten die Ökonomen von JPMorgan, sie sähen ein "erhebliches Risiko", dass die Fed die Zinsen "weit über" das hinaus anheben müsse, was die Märkte erwarteten. Sie rechnen damit, dass Powell mindestens zwei weitere Zinserhöhungen um 25 Basispunkte im März und Mai vornehmen wird. Höhere Zinsen für längere Zeit erhöhen zum einen das Abwärtsrisiko für zum Beispiel Aktien. Vor allem aber dürfte das schon im vergangenen Jahr über sämtliche Assetklassen hinweg erlebte volatile Marktgeschehen zurückkehren, weil die Unsicherheit über die Inflationsentwicklung und über den zukünftigen Kurs der Fed wieder aufflammen wird.

Das fundamentale Bild bleibt mittel- bis langfristig bullisch, die abermals aufkommende Unsicherheiten sowie die Aussicht auf wieder anziehende Inflationsdaten dürften den Zinseffekt überwiegen. Zudem gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Kauflaune der wirklich „dicken Fische“ abebbt. Wie das World Gold Council berichtet, erhöhte sich die weltweite Goldnachfrage im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf 4.741 Tonnen, das ist der höchste Wert seit 2011. Allein die Zentralbanken, die dem gelben Metall ja offiziell (!) sehr skeptisch gegenüberstehen, mehr als verdoppelten ihre eigenen Zukäufe (von 450 auf 1.136 Tonnen). Derart massiv stockten Notenbanken ihre Bestände seit 55 Jahren nicht auf. Russland erwarb 2022 über 55 Tonnen an Goldbarren, im Jahresvergleich ist dies eine Verzehnfachung. Die Türkischen Goldkäufe lagen im Januar 700 Prozent über jenen des Vorjahresmonats! Rückschläge, wie der jüngste, dürften gute Kaufgelegenheiten sein.

Gold - Betrachtung im 4h Chart und Setups für die kommenden Tage

Mit dem am Donnerstag erfolgten schnellen Richtungswechsel des bis dahin überkauften Goldmarktes kurz oberhalb der wichtigen Widerstandsmarke bei 1.950 Dollar roch es bereits sehr nach einem sich nun etablierenden temporärem Top. Mit den tags darauf folgenden US-Arbeitsmarktdaten konnte dann auch eine belastbare fundamentale Begründung für einen tieferen Abverkauf gefunden werden. Die im Bereich des Vorwochenschlusses begonnene Bodenbildung verläuft praktisch im charttechnischen Niemandsland zwischen den signifikanten Niveaus bei $1.850 und $1.880. Bevor nicht eine dieser Marken getroffen wird drängen sich neue Positionen nicht wirklich auf.  


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.