Gold Analyse: Versöhnliches Jahresende und weiterhin aussichtsreiches Umfeld

Dezember 20, 2022 13:14

Unter dem Strich verlief die vergangene Woche sinnbildlich wie das gesamte zurückliegende Jahr: mit zwischendurch großer Aufregung, am Ende ist aber nicht allzu viel passiert. Im Jahresvergleich steht Gold in Dollar gerechnet aktuell 1,8 Prozent tiefer, im Vergleich zur Vorwoche 0,7 Prozent im Plus. 

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Überblick: Gold, das große Bild

Mit der Veröffentlichung der US-Inflationsdaten am vergangenen Dienstag sowie der tags darauf folgenden Zinssatzentscheidung stand die zurückliegende Woche abermals im Zeichen zweier marktbewegender Großereignisse, die auch Gold wieder einmal kräftig durchzuschütteln vermochten. Das unter dem Strich zu findende kleine Wochenplus kann dabei durchaus über die zwischenzeitliche Volatilität hinweg täuschen.

Zunächst einmal sorgte der dienstägliche Bericht über die US-Verbraucherpreisindizes für kräftigen Auftrieb, angesichts der teils deutlich schwächer als erwarteten Daten. Die monatliche Kerninflation war im November so niedrig wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr, was die Erwartung einer Pause bei den Zinserhöhungen der Fed zu Beginn des nächsten Jahres verstärkte. Die Kerninflation erhöhte sich in den USA um lediglich 0,2 Prozent im Vormonatsvergleich (gegenüber den bei 0,3 Prozent liegenden Erwartungen), und auch all die anderen Messgrößen lagen unterhalb der Schätzungen. So überraschte es nicht, dass Aktienmärkte, wie auch Rohstoffe und Edelmetalle nach der Veröffentlichung der Daten in die Höhe schossen, einiges an Sorge bezüglich des am nächsten Tag bevorstehenden Zinsentscheids und insbesondere -ausblicks verpuffte damit geradezu. Bereits weitgehend verpufft waren am Ende des Tages allerdings auch die besagten Kursanstiege. Dies lässt die Interpretation zu, dass das Inflationsthema mehr und mehr von Rezessionssorgen verdrängt wird, denn ohne diese hätte die verbraucherpreisinduzierte Rally zumindest an den Aktienmärkten mehr als nur ein initialer Schnellschuss werden müssen.

Am Mittwoch folgte dann die US-Notenbank mit ihrem erwarteten 50-Punkte-Zinserhöhungsschritt und einer darauffolgenden Erklärung Jerome Powells, die den Märkten, trotz sich nun verringerndem Tempo und verschiedenen Anzeichen für ein sich näherndes Ende des laufenden Straffungszyklus, dann doch den Glauben an einen wirklichen Wendepunkt nahmen. Mit entsprechenden Marktreaktionen. Obwohl der Schritt von 50 Basispunkten eine Abschwächung der jüngsten Reihe von 75er-Zinserhöhungen darstellte, wurde er allgemein als eine hawkishe Zinserhöhung angesehen. Und Powell machte in seiner Pressekonferenz deutlich, dass die Fed bei weitem nicht davon überzeugt ist, dass bereits eine Entwicklung hin zu nachhaltig niedrigeren Inflationsraten eingesetzt hat, die in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels führt. Eine der großen, ungelösten Fragen bleibt bislang, ob dies möglich sein wird, ohne dass es zu einem größeren Anstieg der Arbeitslosenquote (und harter Rezessionslandung) kommt. Die Arbeitslosenquote liegt weiterhin niedrig, und die Löhne sind im letzten Monat kräftig gestiegen. Dennoch ist die Inflation seit ihrem Höchststand zurückgegangen. Kurzfristig ist es also zumindest theoretisch möglich, dass ein starker Arbeitsmarkt und eine rückläufige Inflation nebeneinander bestehen können. Aber die Daten von ein paar Monaten sind eben nur die Daten von ein paar Monaten und kein aussagekräftiger Trend. Historisch betrachtet war es stets so, dass eine leicht steigende Arbeitslosenquote zu einer höheren wurde, wenn die 4,5-Prozent-Grenze erstmal überschritten worden ist. Und dieses Niveau prognostiziert die Fed selbst. Ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosenquote ist daher wahrscheinlicher als ein nur bescheidener Anstieg. Im Übrigen hoben Jerome Powell und seine Kollegen auch ihre Inflationsprognose für das nächste Jahr an, auch die der Kernrate. Unterm Strich: Die Fed ist nicht der Ansicht, dass die Inflation eine entscheidende Wende genommen hat, selbst nach zwei Berichten über den Verbraucherpreisindex, die schwächer ausgefallen sind als erwartet.

Derweil wächst die Sorge vor einer Rezession im kommenden Jahr rund um den Globus, und angesichts dessen lautet das Mantra der Zentralbanken nach wie vor, dass die politischen Entscheidungsträger eine zu starke Straffung vermeiden sollten, um keine zu frühe Abschwächung zu riskieren. Dies wurde am Donnerstag bekräftigt, als die Europäische Zentralbank die gleiche Erhöhung um einen halben Prozentpunkt vornahm, wie die Fed, und „mit der Angelegenheit vertraute Personen“ hinter vorgehaltener Hand erklärten, dass mehr als ein Drittel der Entscheidungsträger eigentlich eine stärkere Erhöhung befürwortet haben. China hingegen könnte dem entgegenwirken und abermals als globaler Wirtschaftsmotor fungieren. Der Konsens besteht im Moment darin, dass das Infektionsgeschehen dort ihren Höhepunkt Ende Januar erreichen und danach eine stärkere wirtschaftliche Erholung einsetzen wird.

Zum Ende der vergangenen Woche war dies, etwas überraschend, das Hauptgesprächsthema im Goldmarkt, nachdem mehrere chinesische Spitzenpolitiker erneut erklärten, sich im nächsten Jahr unbedingt auf die Ankurbelung der Wirtschaft konzentrieren zu wollen. Erste zaghafte Zeichen wieder erwachenden Anlegerinteresses kommen aus Richtung der Gold-ETFs. Diese verzeichneten in der vergangenen Woche das erste Mal seit Juli wieder Nettozuflüsse. Das „Smart Money“ hingegen nutze den Preisanstieg seit Anfang November um wieder Absicherungsgeschäfte zu tätigen und am Terminmarkt Verkaufspositionen aufzubauen. Der entsprechende COT-Index befindet sich in neutralem Territorium.

Gold - Betrachtung im 4h Chart und Setups für die kommenden Tage

Unter dem Strich verlief die vergangene Woche sinnbildlich wie das gesamte zurückliegende Jahr: mit zwischendurch großer Aufregung, am Ende ist aber nicht allzu viel passiert. Im Jahresvergleich steht Gold in Dollar gerechnet aktuell 1,8 Prozent tiefer, im Vergleich zur Vorwoche 0,7 Prozent im Plus. Wenn auch die zwischenzeitlichen Schwankungen nicht zu verachten waren, im Spannungsfeld zwischen Inflation und Rezession konnte Gold rückblickend den mit ihm verbundenen Anspruch an Stabilität erfüllen. Der vergangene Freitag, mit dem großen Verfallstermin an den Derivatemärkten, dürfte der letzte wirklich liquide Tag dieses Jahres gewesen sein, ohne einen wie auch immer gearteten externen Schock sollte nun auch an den Märkten die „besinnliche Zeit“ Einzug halten. Aus technischer Sicht beruhigt sich Gold nun in einem zwischen etwa $1.775 und $1.815 verlaufenden Seitwärtsband, mit der runden 1.800er-Marke als Magnet. 


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.