Gold Analyse: Derzeit wenig äußere Impulse – Bärenlager dominiert in ruhigem Umfeld

Juni 28, 2022 16:30

Aktuell fehlt es an einem dominanten fundamentalen Faktor, der Gold nachhaltig in die eine oder andere Richtung schieben könnte. Stützend wirkt der weiter leicht nachgebende US-Dollar und die im Vergleich zur Vorwoche nahezu unveränderten US-Anleiherenditen. Auf der kürzeren Zeitebene des Vier-Stunden-Charts befindet sich Gold seit Mitte Juni in einer Abwärtsbewegung, innerhalb der seit nun gut sechs Wochen laufenden Seitwärtsphase.  

  • Aktuelle Gold Analyse 28.06.2022: Chartanalyse, Wochenausblick, Setups und mehr – für aktive Daytrader
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Überblick: Gold, das große Bild

Die eher pessimistischen Worte, mit denen Notenbankchef Jerome Powell am vergangenen Mittwoch und Donnerstag vor dem US-Kongress den Zustand der heimischen Wirtschaft und dessen weitere Aussichten beschrieb, halfen wahrlich nicht, neuerlichen Optimismus aufkeimen zu lassen. Zwar schlugen sich zumindest die US-Aktienmärkte in der letzten Woche recht gut, immerhin die beste Performance seit knapp einem Monat, zudem wieder getrieben vom Technologiesektor. Beim Blick auf andere Bereiche, beispielsweise die Industriemetalle, deutet sich aber schon weiteres Unbill an. Insgesamt nehmen die Rohstoffmärkte die Befürchtungen über eine drohende Rezession allmählich ernst, insbesondere die Öl-, Kupfer- und Weizenpreise führten den S&P Goldman Sachs Commodity Index in der vergangenen Woche auf den tiefsten Stand seit Mitte Mai. Seit Beginn des Ukrainekrieges hat der Index mehr als 60 Prozent des damit zusammenhängenden Preisanstiegs wieder eingebüßt. Nicht wenige namhafte Makro-Fonds, die die dortige Rallye in großem Stil gekauft hatten, ziehen sich aktuell beinahe wahllos aus diesem Sektor zurück. Nichtsdestotrotz sind die Preise dort im Vergleich zu den letzten Jahren aber weiterhin sehr hoch, im Moment bedeuten sinkende Rohstoffpreise jedoch, dass zumindest ein Element der Inflationsstory (erstmal) auf dem Rückzug ist.

Sicher der Hauptgrund für die insgesamt eher trübe Stimmung war die halbjährliche geldpolitische Stellungnahme vor dem Bankenausschuss des Senats in der Jerome Powell am vergangenen Mittwoch und Donnerstag nur wenig dazu beitrug, die Befürchtungen hinsichtlich des drohenden Abgleitens der US-Wirtschaft in eine Rezession zu zerstreuen. Nach seinen Worten würde es "sehr schwierig" werden, eine sanfte Landung zu erreichen, womit Powell die Gefahr eines bevorstehenden Abschwungs deutlich eingeräumt hat. Bill Dudley von Bloomberg Economics, ein ehemaliger Präsident der New Yorker Zentralbank, hält eine Rezession in den USA innerhalb der nächsten 18 Monate für "unvermeidlich". Die Ökonomen der Citigroup und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, sehen die Wahrscheinlichkeit eines weltweiten Einbruchs bei 50 Prozent. Außerdem wurde die Prognose für das US-Wachstum in den nächsten drei Quartalen gesenkt. Morgan Stanley wies ebenfalls auf höhere Rezessionswahrscheinlichkeiten hin und sagte, der S&P müsse um weitere 15 bis 20 Prozent fallen, um das Ausmaß der Kontraktion vollständig widerzuspiegeln. Laut dem Präsidenten der Chicagoer Fed, Charles Evans, sei eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte auf der FOMC-Sitzung im Juli ein "sehr vernünftiger Startpunkt für eine Diskussion" sei. Als kleiner Fun-Fact am Rande soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass Powell den jüngsten, mit 75 Basispunkten unerwartet großen Zinsschritt, ganz wesentlich mit einer Umfrage der University of Michigan begründete, nach der die Inflationserwartung für die kommenden fünf bis zehn Jahre überraschend stark von drei auf 3,3 Prozent gestiegen sei. Nun wurde die selbe Zahl auf 3,1 Prozent nach unten korrigiert. Es waren also nie 3,3 Prozent... Interessanterweise bezog sich Powell am Donnerstag abermals genau darauf und nannte diese Umfrage als Hauptgrund für die größte Zinserhöhung seit 1994. Wie er auf die tags darauf erfolgte Korrektur reagierte ist nicht überliefert. Nur wenig tröstlich ist dabei der Umstand, dass es auch Amtskollegin Christine Lagarde nicht wirklich leichter hat.  Auch sie wurde in der letzten Woche, wie Powell, recht nachdrücklich von verschiedenen Gesetzgebern davor gewarnt, dass sie eine Rezession auslösen könnte, und dass die EZB bereits deutlich "hinter den Märkten" stehe. Ein Zögern und Zaudern, auch in Sachen Geldpolitik. Diese Ermahnungen dürften sowohl ihr als auch Powell (und deren britischem Kollegen Bailey, der jüngst ebenso angezählt wurde) am morgigen Mittwoch noch in den Ohren klingen, wenn sich alle drei gemeinsam im Rahmen der EZB-Jahrestagung im portugiesischen Sintra öffentlich zum Thema austauschen werden.


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.