Gold Analyse: Goldbullen bleiben in der Defensive – Abwärtstrend weiterhin intakt, scheint jedoch an Kraft zu verlieren
Eine Trendumkehr ist noch lange nicht in Sicht, aber verliert der Abwärtstrend an Fahrt?
- Aktuelle Gold Analyse 19.07.2022: Chartanalyse, Wochenausblick, Setups und mehr – für aktive Daytrader
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Überblick: Gold, das große Bild
Der maßgebliche Datenpunkt der vergangenen Woche, die Veröffentlichung der neuesten US-Inflationsdaten am letzten Mittwoch, schüttelte die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte wieder einmal kräftig durch und gab schon einmal einen Vorgeschmack auf die kommende Woche, in der, ebenfalls am Mittwoch, die wesentlich darauf beruhende Zinssatzentscheidung der amerikanischen Notenbank bevorsteht. Mit den Zahlen der letzten Woche zeigte sich, dass die Inflation im Juni im Vergleich zum Vorjahr um satte 9,1 Prozent angestiegen war - die größte Zunahme der Verbraucherpreise seit 1981 und höher als alle zuvor veröffentlichten Prognosen. Anderthalb Stunden später schockierte die Bank of Canada die Märkte mit einer Anhebung ihrer Leitzinsen um 100 Basispunkte, was die Märkte als Türöffner für die US-Notenbank verstanden, hier in gleicher Weise zu folgen. Innerhalb von 90 Minuten wurde somit der aggressivste Schritt der Federal Reserve in der modernen Geschichte zu einer sehr realen Möglichkeit. Was folgte, war eine intensive Neubewertung der Fed-Erwartungen. Im Laufe des Nachmittags deuteten die Swap-Märkte bereits auf eine 75-prozentige Chance einer Anhebung um einen vollen Prozentpunkt bei der kommenden Notenbanksitzung am 27.07. hin. Das hat es noch nie gegeben, seit die Fed Anfang der 1990er Jahre begann, die Tagesgeldzinsen direkt zur Durchführung der Geldpolitik einzusetzen. Die Ökonomen von Nomura und JPMorgan gehen inzwischen von einer Erhöhung um 100 Basispunkte in diesem Monat aus. All dies erhöhte die Aufmerksamkeit für jedes Wort aus den Reihen der Fed-Entscheidungsträger, und die ließen sich nicht lange bitten. Der Präsident der Fed von Atlanta, Raphael Bostic, begann die Nabelschau bereits Stunden nach der Veröffentlichung der Zahlen mit den Worten, dass "alles im Spiel ist". Auf die ausdrückliche Frage, ob dies auch eine Anhebung der Zinssätze um einen vollen Prozentpunkt einschließe, antwortete er entsprechend: "Das würde alles bedeuten". Fed-Gouverneur Christopher Waller sprach sich für eine Anhebung um 75 Basispunkte aus, sagte aber, man könne auch mehr tun, wenn die Daten dies rechtfertigten. Angesichts weiterer gemischter Unternehmens- und Wirtschaftsdaten reduzierte sich die kurz zuvor eingepreiste Zinserhöhungserwartung zum Ende der Woche hin zwar leicht, zeigt mit jetzt 80 Basispunkten aber immer noch einen aggressiven Anstieg. Anleiherenditen und US-Dollar gaben wieder leicht nach, bei den Aktienmärkten und Rohstoffen, auch Gold, setzten Erholungsbewegungen ein.
Angesichts der Situation hier in Europa würde Christine Lagarde möglicherweise sogar gerne den Stuhl mit Amtskollege Jerome Powell tauschen wollen. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank hat nicht nur mit der ersten Zinserhöhung seit mehr als einem Jahrzehnt, einer Rekordinflation und der Angst vor einer Rezession zu kämpfen, sondern sieht sich nun auch noch mit den zusätzlichen Herausforderungen eines möglichen Zusammenbruchs der italienischen Regierung und der Gefahr eines dauerhaften Stopps der russischen Gaslieferungen nach Deutschland (und Europa) konfrontiert. Die sich daraus ergebende Verschärfung der aktuellen Energiekrise würde bedeuten, dass das Abrutschen einer bereits schwächelnde Wirtschaft in eine ausgewachsene Rezession mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu vermeiden sein würde. Am kommenden Donnerstag, dem Tag der EZB-Zinsentscheidung, werden wir erfahren, ob die Gaslieferungen nach Abschluss der geplanten Wartungsarbeiten an der NordStream1-Pipeline wieder aufgenommen werden oder nicht. Und dies geschieht genau einen Tag, nachdem der italienische Ministerpräsident Mario Draghi mitgeteilt haben wird, ob er seine Absicht zurückzutreten weiterverfolgen wird. Derweil hat die Inflation im Euroraum wiederholt die Erwartungen übertroffen und liegt mit 8,6 Prozent auf einem Rekordwert. Vor diesem Hintergrund werden die EZB-Verantwortlichen in dieser Woche entscheiden, ob die angekündigte Zinserhöhung um einen Viertelpunkt ausreichen wird, oder ob sie mit einem größeren Schritt um einen halben Punkt beginnen müssen.
Damit in direktem Zusammenhang steht die Rally des US-Dollars, die weiterhin den größten Bremsklotz auch für die Goldpreisentwicklung darstellt. Auch in der vergangenen Woche legte die Weltreservewährung weiter zu, gemessen am breiten Korb des Dollar-Index (DXY) aber auch gegenüber Einzelwährungen, wie Yen und Euro, der erstmals seit Ende 2002 wieder unter Parität fiel. Dies ist für die USA verkraftbar, für große Teile der restlichen Welt, auch für Europa, werden die Probleme jedoch verstärkt, da die Einfuhr von in Dollar denominierten Waren und Dienstleistungen teurer wird und somit zusätzlich Inflation importiert wird. Das besondere am Dollar ist zudem, dass Anleger gerne nach der vermeintlichen Sicherheit von auf Dollar lautenden Vermögenswerten greifen, wenn sie sich Sorgen um die Zukunft machen, womit die Stärke der US-Währung zu einem sich selbst belebenden Teufelskreis werden kann. Wenn der Dollar stärker wird, belastet er die Wirtschaftstätigkeit, was wiederum dazu führt, dass sich die Menschen Sorgen um die Wirtschaftstätigkeit machen, was wiederum zu einem stärkeren Dollar führt, und so weiter. Will man es positiv sehen, würde ein weiterer Dollaranstieg auf Grund des dann international zu erwartenden Nachfragerückgangs zumindest die Inflationsentwicklung dämpfen und so Druck aus dem Zinserhöhungsthema nehmen.