Gold Wochenausblick: Warten auf den nächsten Impuls – Fed und Ukraine liefern die Argumente

April 05, 2022 12:25

Seit mehr als 20 Tagen gibt es eine eher ruhige Seitwärtslage im Goldpreis. Die Inflations- und Zinsentwicklung und die Lage in der Ukraine sind aber Impulsgeber, die jederzeit für Bewegung sorgen können.

  • Aktuelle Gold Analyse 05.04.2022: Chartanalyse, Wochenausblick, Setups und mehr – für aktive Daytrader
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Überblick: Gold, das große Bild

Betrachtet man den Goldmarkt nur punktuell, beispielsweise im Wochenrythmus, so könnte der Eindruck einer nun schon seit mehr als 20 Tagen andauernden sehr ruhigen Seitwärtsphase entstehen. Die beiden Hauptpreistreiber „Ukraine-Krieg“ und „Inflations-/Zinsentwicklung“ sorgen allerdings zwischenzeitlich immer wieder für teils sehr schnelle und weite Ausschläge in Richtung der jeweils etwa 30 Dollar unter- bzw. oberhalb des aktuell bei 1.930 Dollar befindlichen Konsensniveaus liegenden, klar definierten Unterstützungs- und Widerstandsbereiche. Bezüglich der Ukraine-Situation sind gute Nachrichten schlechte für den Goldpreis, und so folgte auf die hoffnungsvollen Entwicklungen zu Beginn der vergangenen Woche (Russland verlautbarte, die Kampfhandlungen im Raum Kiew erheblich reduzieren zu wollen, was eine gute Basis für weitere Verhandlungen gewesen wäre) der prompte Test der Unterstützungszone zwischen $1.890 und $1.900. Dass diesen Worten die entsprechenden Taten schuldig blieben, lässt sich der folgenden Preisentwicklung entnehmen.

Zunächst preisdämpfend wirkte die Ankündigung der größten, jemals beschlossenen Ölmengenfreigabe aus der strategischen Reserve der USA. Eine Million Barrel pro Tag sollen über einen Zeitraum von 180 Tagen in den Markt gegeben werden, dieser Beschluß drückte den Rohölpreis (WTI) wieder unter die 100-Dollar-Marke. Wirklich überzeugend ist diese Maßnahme allerdings nicht. Die Inflationsentwicklung, zu einem Gutteil den Preissteigerungen im Energiesektors geschuldet, wird auch eine Millionen Barrel pro Tag nicht nachhaltig beeinflussen. Man bedenke: allein die USA verbrauchen pro Tag etwa 20 Millionen Barrels, die Welt über 100. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, zudem handelt es sich ja buchstäblich um eine „strategische Reserve“, gedacht für wirkliche Notfälle, wie physische Engpässe, im eigenen Land. Und vor allem muss diese Reserve genau deshalb auch wieder aufgefüllt werden, was für sichere, und hohe, Nachfrage in nicht allzu ferner Zukunft sorgen wird. Diese Maßnahme dürfte also keinen nachhaltigen Effekt auf das Inflationsgeschehen haben. Beim Blick auf das große Ganze darf auch China nicht fehlen, wo der Kampf gegen Covid-19 nicht nur die heimische Wirtschaft belastet. Nachdem die viertägige Abriegelung der östlichen Hälfte Shanghais beendet wurde, erfolgte Gleiches am Freitag im westlichen Teil der Stadt. 16 Millionen Menschen befinden sich dort nun im Lockdown. Erst vor wenigen Wochen war das Technologiezentrum Shenzhen abgeriegelt worden. Die Stilllegung von zwei der größten und wirtschaftlich florierendsten Städte Chinas samt viertgrößtem Hafen der Welt steht im krassen Gegensatz zu den Bemühungen der anderen Industrieländer, sich zu öffnen und mit dem Virus zu leben. Und auch wenn es Anzeichen dafür gibt, dass das Land versucht, die wirtschaftlichen Folgen zu minimieren, wird das harte Vorgehen Chinas die globalen Lieferketten weiter erheblich belasten, mit entsprechenden Folgen für die Warenangebotssituation.

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Einen belastbaren Hinweis auf das kommende Vorgehen der US-Zentralbank bezüglich der dortigen Zinsentwicklung sollte das einzig wirklich planbare Event der vergangenen Woche liefern, zumindest war dies die Erwartung, die die Marktteilnehmer hinsichtlich der Veröffentlichung der neuesten Arbeitsmarktdaten hatten. Mit 431.000 neugeschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft hatten die US-Arbeitgeber im März zwar erheblich weniger Mitarbeiter eingestellt als noch im Vormonat (700.000) und auch die durchschnittliche Analystenerwartung wurde verfehlt, allerdings sank die Arbeitslosenquote mit 6,3 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 50 Jahren, womit die im Raum stehende 50-Basispunkte Zinserhöhungsphantasie für Mai weiter am Leben gehalten wird. Europa, lange Zeit sehr defensiv in seiner Zinspolitik, dürfte sich mittlerweile zu ähnlichem genötigt sehen. Immerhin beschleunigte sich die Gesamtinflation im Euroraum im März offiziell auf 7,5 Prozent gegenüber revidierten 5,9 Prozent im Februar, was die Prognose der Europäischen Zentralbank für das Gesamtjahr (5,1 Prozent) in Frage stellt. „Offiziell“ muss dabei betont werden, denn jeder, der hierzulande Lebensmittel einkaufen geht, weiß, dass diese Zahlen mit der Realtität ohnehin nichts zu tun haben. Die deutschen Importpreise, gestern veröffentlicht, sind im Februar um 26,3 Prozent  gestiegen. Diese Zahl ist jedoch noch nicht wirklich aussagekräftig, da sie sich auf die Zeit vor Kriegsbeginn bezieht. Dieser dürfte die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Deutsche Anleihen, die in diesem Jahr bereits erheblich unter Druck geraten sind, weiteten ihre Verluste nach Veröffentlichung der Daten aus. Die Geldmärkte rechnen nun mit einer Straffung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank um mehr als 50 Basispunkte in diesem Jahr. A propos Anleihen: die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen liegt mittlerweile unterhalb der kurzlaufen zweijährigen Anleihen. Die der 30-jährigen ist nur noch um haaresbreite höher und droht ebenfalls ins Negative zu drehen, was viele Beobachter für ein Zeichen einer bevorstehenden Rezession halten. Um das Für und Wider dieser These darzulegen fehlt an dieser Stelle der Raum, kurz zusammengefasst besagt die Theorie dahinter, dass, wenn der langfristige Zinssatz niedriger ist als der kurzfristige, und man davon ausgeht, dass die Zinssätze die Erwartungen des Marktes an die Politik widerspiegeln, der Markt Zinssenkungen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft einpreist. Und der Hauptgrund, warum eine Notenbank die Zinsen senken würde, ist die Sorge vor einer Rezession. In der Vergangenheit hat eine ins Negative drehende Renditekurve immer wieder Rezessionen angekündigt, man sollte dieses Zeichen daher durchaus ernst nehmen.

In dieser Woche wichtig wird die Veröffentlichung des Protokolls der März-Sitzung der US-Notenbank (Mittwoch, 20:00 Uhr). Erwartbar sind klarere Hinweise bezüglich der Bereitschaft der Zentralbanker zu einer Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt im nächsten Monat. Enthalten sein sollten ebenfalls nähere Details über den wahrscheinlichen Weg zur Reduzierung der Fed-Bilanz. Notenbank-Chef Jerome Powell deutete bereits an, einen entsprechenden Plan vorlegen zu wollen. Tags darauf wird die Europäische Zentralbank das Protokoll ihrer letzten Sitzung veröffentlichen, genau eine Woche vor ihrer nächsten Zinsentscheidung.

Noch ein kleiner Exkurs am Rande: die Daten des US-Mint zeigen für den vergangenen Monat eine außerordentlich hohe Nachfrage nach physischem Gold. Allein die Nachfrage nach Amerikas bedeutendster Anlagemünze, dem American Eagle, stieg im Monatsvergleich um 73 Prozent, so stark, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Im Vergleich zum Vorjahresmonat war es noch ein Plus von 3,5 Prozent. Ähnlich dem monatlichen Ergebnis war auch das Gesamtquartal das nachfragestärkste seit 1999.

Gold - Betrachtung im 4h Chart und Setups für die kommenden Tage

Nach dem neuerlichen Test der 10 Dollar breiten Unterstützungszone unter der 1.900-Dollar-Marke am vergangenen Dienstag sowie der unmittelbar darauf folgenden kräftigen Gegenbewegung, hat sich der Goldpreis abermals im Bereich seines momentan als Fair Value akzeptierten Bereichs um $1.930 eingependelt. Hier harrt man nun der Dinge, die dem Edelmetall den nächsten, idealerweise dauerhaften, Impuls geben könnten. Wirklich rational einschätzbar bleibt dabei selbstverständlich nur das Tagesgeschäft, in dieser Woche bedeutet das im Wesentlichen der Blick auf das morgige Fed-Protokoll. Negative Überraschungen an dieser Stelle dürften kurzfristig nicht allzu sehr belasten, zu bedeutend ist der „Ukraine-Put“ für Gold. Die stützende Wirkung der unsicheren Lage im Osten Europas nimmt wieder zu, steigt doch das Risiko einer weiteren Eskalation seit dem vergangenen Wochenende zusehends an. Save-Haven-Fantasie und Inflationsschutzargument deuten weiterhin in die gleiche Richtung.


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.