Gold Analyse: Gold weiter im Abwärtstrend – Das Sentiment hellt sich jedoch auf

September 06, 2022 12:04

Powells Rede im Rahmen des Jackson Hole Symposiums hat eines deutlich gemacht: Die Inflation bleibt ein Problem, Zinsen werden weiter steigen. Die Aktienmärkte nehmen das übel, und auch die Edelmetalle müssen leiden.

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Überblick: Gold, das große Bild

Nach dem ausgesprochen hawkishen Auftritt Jerome Powells in Jackson Hole in der vergangenen Woche hat sich das abgedroschene Klischee "gute Nachrichten sind schlechte Nachrichten" wieder in den Sprachgebrauch eingebürgert - die Vorstellung, dass unerwartete gute Zahlen angesichts des Bestrebens der US-Notenbank, die Inflation einzudämmen, klassische Risikoassets belasten würde. Vor diesem Hintergrund wurden die Freitagmittag zur Veröffentlichung anstehenden US-Arbeitsmarktdaten mit ganz besonderer Spannung erwartet, könnten sie doch bereits den Ausschlag für eine dritte große Zinserhöhung der Federal Reserve noch in diesem Monat geben. Zwar waren die Zahlen dann tatsächlich gut, mit einem moderaten Anstieg der Beschäftigten kurz oberhalb der Erwartungen. Schwerer wog jedoch die steigende Arbeitslosenquote, die, im Vormonat noch auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahrzenten liegend, nun mit 3,7 Prozent wieder anzieht. In normalen Zeiten wären das schlechte Nachrichten, angesichts der damit verbundenen Hoffnung auf eine weniger aggressive Zinspolitik zogen jedoch sowohl Aktien- als auch die Edelmetallmärkte kräftig an, der US-Dollar verlor. Zumindest für Aktien und Dollar bleib dies eine kurze Episode, getriggert wurde die in beiden Fällen scharfe Gegenbewegung allerdings nicht durch Powell & Co., sondern von den Genossen am östlichen Ende der NordStream-Pipeline. Deren Entscheidung, diese nach der am Freitag eigentlich planmäßig zu Ende gehenden neuerlichen Wartungsepisode wider erwarten nicht wieder in Betrieb zu nehmen,  eskalierte die zwischen Russland und insbesondere der EU (die ihrerseits vorhergehend am gleichen Tag Pläne für weitere schwerwiegende Sanktionen gegen den russischen Ölsektor verbreitet hat) herrschenden Spannungen weiter. Gold widersteht dem Dollaranstieg seitdem, das klassische Sicherer-Hafen-Argument gewinnt nun möglicherweise wieder an Bedeutung.

Ob dieses jedoch ausreicht und, vor allem, ob die Zeit des Dollars als schwerwiegendste Preisbremse  tatsächlich vorbei ist, ist noch nicht entschieden. Gegen den Währungskorb des Dollar-Index (DXY) notiert der Greenback mittlerweile auf 20-Jahreshoch (und hat aus technischer Sicht weiterhin erhebliches Potenzial), der Euro handelt unter Parität, das Britische Pfund so tief, wie seit 1985 nicht mehr. Es ist mittlerweile durchaus legitim, von einem Energiekrieg zu sprechen. Dieser wird die Preissteigerungsrate weiter hoch halten, wobei die vom Westen initiierten Preis-Caps auf Öl, Ölprodukte und möglicherweise auch Erdgas auch ein Versuch sind, die Inflationsentwicklung zu bremsen. Es gibt allerdings Szenarien, nach denen derartige Maßnahmen genau zum gegenteiligen Effekt führen und Öl und Co. auf neue Höchststände schicken würden. Vor dem Hintergrund, das Energieträger als Hauptinflationstreiber ausgemacht sind, ist dies besonders bedenklich. Europa ist wirtschaftlich angezählt, das schwächt zum einen den Euro, verteuert Gold hierzulande und trübt die Kauflaune angesichts der weiterhin pessimistischen Aussichten. Einer Untersuchung der Nachrichtenagentur Verisk Maplecroft zufolge steigt das Potenzial für Unruhen in ganz Europa, da man sich hier aufgrund des Krieges in der Ukraine auf einen harten Winter mit Unterbrechungen der Energieversorgung einstellen muss. In den Schwellenländern sieht es nicht anders auch, dort sind es sowohl Energiekosten, als auch Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln, die schwerwiegende Probleme bereiten. Die Bedrohung wird in den kommenden Monaten noch zunehmen, so die Forscher. Von 198 Ländern, die im sogenannten Civil Unrest Index erfasst sind, weisen aktuell 101 ein steigendes Risiko auf, das ist die größte Anzahl seit der Erstellung der Rangliste im Jahr 2016. All dies, drohende Unruhen, verfallende Fiatwährungen, Inflation, eine ungewisse Zukunft ganz generell, spricht sehr für Investitionen in wertstabile Anlageformen. Selbstverständlich ist der Kauf eines glänzenden Metallblocks zur jetzigen Zeit denjenigen, die nicht wissen, ob sie in Kürze noch ihre Zweizimmerwohnung beheizen können, nur schwer zu vermitteln. Die Nachfrage nach allem vermeintlich Nutzlosen wird leiden. Wer jedoch die Möglichkeit hat, sollte in diesem Moment noch einmal in sich gehen.

In sich gehen werden in dieser Woche in jedem Fall die Zentralbanker der EZB, und es wird immer wahrscheinlicher, dass diese dem Club der großen Zinserhöher beitreten wird. Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kollegen treffen sich am Donnerstag zur Zinssatzentscheidung (14:15 Uhr), und  Ökonomen wie Börsenhändler wetten bereits darauf, dass sie die Zinsen zum ersten Mal überhaupt um 75 Basispunkte anheben werden. Der Stimmungsumschwung folgte auf die Nachricht vom vergangenen Mittwoch, nach der die Inflation im Euroraum im August mit 9,1 Prozent ein Allzeithoch erreicht hat. Ein solch kräftiger Schritt würde sich mit der Aufforderung des Vorstandsmitglieds Isabel Schnabel von letzter Woche decken, "energisch zu handeln". In gewisser Weise haben Lagarde und ihre Kollegen einen noch schwierigeren Job als die Federal Reserve. Die Eurozone hat einen Krieg an ihrer Grenze, der die Energiepreise in die Höhe treibt, die dann als Inflationstreiber und Nachfragebremse wirken. Eine Rezession scheint in Europa wahrscheinlicher zu sein als in den USA, während ein abrutschender Euro, politische Probleme in Italien und Schulden in der Peripherie die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger ebenfalls erschweren. Ebenfalls am Donnerstag, um 15:10 Uhr, kurz nach der EZB-Pressekonferenz, wird auch Jerome Powell noch einmal vor die Kameras treten. Beinahe schon wie gewohnt, liegt auch hier das Augenmerk auf Indizien für den Umfang der kommenden Zinserhöhung am 21. September.

 

Gold - Betrachtung im 4h Chart und Setups für die kommenden Tage

Der kräftige Abverkauf vom 01. September ist, wie sollte es anders sein, der Dollarentwicklung dieses Tages geschuldet, die Erholung von Freitag geht auf die in den USA gestiegene Arbeitslosenquote (mit damit einhergehend wieder nachgebendem Dollar) und die geopolitische Lage zurück. Das Gold dem Dollaranstieg zum Wochenbeginn widerstanden hat, ist zu einem Gutteil auf den gestrigen umsatzarmen US-Feiertag (Labor Day) zurückzuführen. Dass sich an dieser Stelle nun ein Paradigmenwechsel einstellt, bleibt unwahrscheinlich. Gold bleibt auf sämtlichen Zeitebenen in der Defensive, ein Test der ebenfalls auf sämtlichen Zeitebenen wichtigen Unterstützung bei $1.675 steht förmlich im Raum. Oberhalb von $1.730 bekommen die Bullen wieder Oberwasser.


Markus Grüne
Markus Grüne Selbständiger Börsenhändler & Finanzmarktanalyst | Frankfurt am Main | (extern)

Über 14 Jahre Erfahrung als professioneller Händler und Market Maker für Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 Publikation eigener Börsenbriefe und Analysen mit Fokus auf Rohstoffe.